In Ballungszentren fehlen jedes Jahr mehr neue Wohnungen, dagegen werden in manchen Regionen tausende Wohnungen zu viel gebaut. Warum ist es eigentlich so schwer, sich beim Wohnungsneubau am Bedarf zu orientieren?
Die Politik und Wohnungsnot hat das Problem endlich – nach Jahren der Stagnation erkannt. Allen ist klar, es braucht mehr Wohnungen. Tatsächlich wurden im Jahr 2018 so viele neue Wohnungen gebaut, wie schon lange nicht mehr. Dem Portal Statista zufolge wurden im Jahr 2018 annähernd 300.000 neue Wohnungen gebaut. Andere Quellen sprechen von 270.000 Neubauten. Tatsache ist, die Anzahl ist seit dem Tiefststand 2010 stark angestiegen, im Jahr 2010 waren es nur 160.000 neue Wohnungen.
Also alles in Butter? Weit gefehlt. Es gibt zwei Probleme, eigentlich sogar drei.
- Aufgrund des deutlichen Rückgangs der Neubauten bis zum Tiefstand 2010 und der sich nur langsam erholenden Zahlen entstand eine riesige Lücke zwischen Bestand und Bedarf. Nach Schätzungen verschiedener Institutionen werden in Deutschland aktuell zwischen 270.000 und 310.000 neue Wohnungen benötigt, und hier sind Migrationsbewegungen nicht eingerechnet. Das bedeutet, mit der aktuellen Zahl wird gerade mal der jedes Jahr neu entstehende Bedarf gedeckt, nicht aber die riesige Lücke. Es müssten also einige Jahre lang deutlich mehr Wohnungen gebaut werden, manche sprechen von bis zu 380.000 neuen Wohnungen.
- Das größte Problem ist wohl, dass am Bedarf vorbei gebaut wird. Hier sind einige Zahlen ganz interessant, auf etwas traurige Art sogar unterhaltsam. Bereits seit Jahren ist ein Boom der Städte zu sehen. Dort gibt es Arbeit, dort gibt es Kultur, dort gibt es Infrastruktur, ein Großteil des Bedarfs entsteht hier. Und doch wird in ländlichen Regionen fröhlich weiter gebaut, trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen und steigenden Leerstandes. In einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft werden einige Beispiele genannt.
Im Kreis Emsland in Norddeutschland zum Beispiel wurden zwischen 2011 und 2015 über 1.000 Wohnungen mehr gebaut, als es die Bevölkerungsentwicklung und der vorhandene Bestand an Wohnungen nötig gemacht hätte. Doch auch in Bayern, im Schwarzwald und in Sachsen findet man solche Beispiele. In einem Kreis schoss man damit den Vogel ab. Nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft wurden dort gerade mal 7 neue Wohnungen gebraucht. Gebaut wurden aber 200. War das nun vorausschauend oder völlig übermotiviert.
Schlimmer ist allerdings, dass an anderer Stelle Wohnungen massiv fehlen. In Berlin beispielsweise wurden gerade mal 40% des Bedarfs neu gebaut, in München 42% und in Hamburg 59%. In den Ballungszentren ist der Bedarf massiv, auf dem Land nimmt er in den meisten Regionen ab. In den 66 kreisfreien Großstädten stieg die Bevölkerung von 2010 auf 2016 um 1,35 Millionen oder fast 6 Prozent. In Großstädten wie Berlin, München, Köln, Frankfurt oder Hamburg werden Zuwächse von bis zu 10 Prozent pro Jahr erwartet. Das alles sind weder Neuigkeiten noch Geheimnisse. Da stellt sich doch folgende Frage: Was ist so schwierig daran, nach dem Bedarf zu bauen, also dort wo die Bevölkerungsentwicklung stetig steigt?
- Das führt uns zum dritten Grund, warum am Bedarf vorbei gebaut wird. Die Steuerungswirkung stimmt nicht. Aktuell haben wir immer noch sehr niedrige Zinsen, was bei vielen den Wunsch auf ein Eigenheim größer werden lässt. Allerdings gehört dazu auch der passende Grund und Boden. Davon abgesehen, dass der Grund und Boden in Großstädten bereits heute massiv verknappt ist, sind die meisten Baugrundstücke für Häuslebauer auch schlicht zu teuer. Was also tun? Klar, man weicht auf das Land aus, hier gibt es noch erschwingliche Grundstücke, die Entscheidung ist klar. Leider allerdings auch kurzsichtig.
Zum einen weil der Wert einer solchen Immobilie nur schwerlich steigen wird. Zum anderen, weil es für die Hausbesitzer im Alter sehr schwierig werden könnte, dort zu wohnen. Die Bedürfnisse im Alter ändern sich, die Mobilität nimmt ab. Jetzt wäre man gut beraten, dort zu wohnen, wo Ärzte, Apotheken, Pflegedienste etc. in der Nähe sind und eine gut ausgebaute Infrastruktur eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht.
Was also ist das Fazit:
So schön ein Eigenheim für die meisten ist, vielleicht ist eine schöne Wohnung in Stadtnähe die bessere Wahl, wenn man die Zukunft mit einbezieht. Hinzu kommt die Überlegung, ob es tatsächlich etwas Neues sein muss, oder ob geeignete Objekte nicht vielleicht schon auf dem Markt sind. Besonders in ländlichen Regionen ist das der Fall und so lässt sich wirkungsvoll Leerstand vermeiden oder bekämpfen. Außerdem ist die Politik gefordert, durch entsprechende Steuerungsmaßnahmen die Neubaumaßnahmen besser mit der bekannten Bevölkerungsentwicklung in Übereinstimmung zu bringen.